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Halb neun Uhr morgens ist eine gute Zeit, um am Helfercamp anzukommen. Ab 9 Uhr fahren die ersten Busse ins Tal, also schnell noch einen Kaffee mit den Ahrtal-Freunden vom letzten Mal trinken und einen Auftrag ergattern, den man gerne macht. Michael zum Beispiel stemmt am liebsten Putz von den Wänden. Bei Abbrucharbeiten kann man nichts versehentlich kaputt machen, es soll ja eh alles raus, und von seinem Ahrtal-Freund Wolfgang hat er einen sehr motivierenden Tipp bekommen. „Kauf dir selbst einen guten Stemmhammer, brauchen kann man den immer, und haben willst du ihn sowieso“, hatte Wolfgang ihm geraten, und genau so hat es Michael gemacht. Vorher holt er aber schnell noch Mechthilds Okay ein. „Du, ich glaube ich sollte mir langsam mal einen Stemmhammer zulegen. Aus Mitmenschlichkeit, um den Leuten im Ahrtal zu helfen“, sagt Michael seiner Mechthild, weil er bei Sachen, die ihm wirklich wichtig sind, immer irgendein übergeordnetes Interesse anführt. Worauf Mechthild leicht seufzend „Wenn es dich glücklich macht“ antwortet, weil sie immer so antwortet, wenn sie meint, dass ihr Mann sich mal selbstständig zu einer Kaufentscheidung durchringen sollte. Und tatsächlich, ein neuer Stemmhammer macht glücklich. Eine Makita ist es geworden, 780 W Leistung und 2,4 Joule Schlagenergie, da fliegt der Putz nur so von den Wänden, und bis zu 24 mm große Löcher in Beton könnte sie auch bohren. Wenn man’s denn bräuchte, aber das hat sich Michael noch nicht so genau überlegt. Haben ist erstmal wichtiger als brauchen. Die wichtigsten Leute im Helfercamp, vor allem um kurz vor neun, sind die sogenannten Scouts. Auffallende orangerote Warnwesten tragen sie, und sie verteilen die Aufträge. Am besten, man findet sich des Morgens in einem Grüppchen zusammen – oft hat man sich ohnehin mit seinen Ahrtal-Freunden vom letzten Mal verabredet, sonst spricht man halt andere fragend dreinblickende Leute an – und wendet sich dann an einen der Scouts. Wenn man dabei seine Makita liebevoll in den Armen trägt, so jedenfalls Michaels Erfahrung, kann kaum was schiefgehen und die Scouts suchen aus ihrem Sammelsurium an Auftragszetteln den gewünschten Stemmauftrag heraus. Dann geht’s im Shuttle-Bus ins Tal, wo die Arbeit und viele neue Bekanntschaften warten. Bekanntschaften mit Leuten, die zum Teil von richtig weit weg hergekommen sind. Michaels Ahrtal-Freunde beispielsweise kommen aus Passau, Ingelheim, Bad Homburg, Stralsund, Saarbrücken, Pinneberg, Hannover, Sechtem, Kiel und Dresden. |
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