Die Reise nach Newport und New York |
Mit Nancy zu telefonieren macht immer Spaß, aber diesmal hält sie eine richtige Knaller-Überraschung bereit: eine Einladung zu Bev und Bob, Schwester und Schwager aus Newport in den USA. Und klar, die Einladung kommt auch diesmal mit der Nancy-Rundumbetreuung, denn wenn Nancy bei Franziska, Felix und Katharina ist, schickt sie Mechthild und Michael immer gerne für ein paar Tage weg, um die Zeit in Ruhe mit den Kindern zu verbringen. “Just think about it”, sagt sie am Telefon, “von Newport sind es mit dem Zug nur drei Stunden nach New York. Da könnt Ihr Euch zu zweit bestimmt auch ganz gut amüsieren. Außerdem steht die kleine Ferienwohnung gerade frei, und ihr werdet Heidi und Nevad mit den Kindern treffen.” Über so ein Angebot müssen Mechthild und Michael nicht lange nachdenken, die Kinder schon gleich nicht. |
“Spricht man in Newport englisch oder französisch?”, will Katharina wissen. |
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“Na englisch, weil das doch in Amerika ist”, sagt Franziska. |
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“Dann müssen wir da hin”, entscheidet Katharina. |
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Und auch Felix hat sich längst entschieden: “Endlich komme ich auch mal nach Amerika, Franziska war da vor 10 Jahren schon mal.” |
Also auf nach Newport, jener schnuckeligen Stadt am Atlantik, wo bis 1983 für mehr als ein halbes Jahrhundert ununterbrochen der America’s Cup
ausgetragen wurde. Bleibt nur noch die Sache mit der Unterkunft in New York, wo es ja gerne mal deutlich teurer wird als andernorts. Gut, dass es dafür Kim gibt, die nette Vermieterin aus Ottawa, die sich auskennt,
weil sie jahrelang in New York gelebt hat. “Bloß nicht nervös werden und früh für teuer Geld eine schäbige Absteige buchen”, meint sie. “Lieber bis kurz vor knapp warten und die Hotels nervös werden, die noch auf freien Zimmern
sitzen. Die verscherbeln die dann zu Schleuderpreisen im Internet.” So machen’s Mechthild und Michael auch. Ganz fest nehmen sie sich vor, nicht nervös zu werden (na ja), klicken sich dann am Tag vor der Abreise nach
Newport auf priceline.com rein, grad so wie es ihnen Kim gezeigt hat, klicken bei Kategorie mutig auf vier Sterne, bieten irgendeinen Spottpreis und landen ...... Ja, da wird es Michael ein bisschen peinlich, weil er ja
lieber zeltet, als im Hilton abzusteigen. Aber in Downtown New York kann man nun mal nicht so dolle zelten, und im Nachhinein gibt er auch zu, dass so ein Hilton auch ganz praktisch ist: sauber war’s und geräumig, und eine Isomatte
brauchte man auch nicht aufzublasen. |
Alles gerichtet für eine tolle Urlaubswoche also. Aber leider, leider beginnt auch die schönste Urlaubswoche mit der Anreise, und die führt auf
der Autoroute 10 und Route 135 geradewegs zur Grenzkontrolle der USA an der Highway Springs Border Station. Dort gelingt den Immigration Officers Erstaunliches: trotz leerer Autobahn ein zweieinhalbstündiger Stau an der
Passkontrolle. Michael verdreht genervt die Augen, viel lieber würde er jetzt gemütlich durch die Berge von Vermont fahren, als im Stau an der Grenze stehen. Die Kinder erfassen die Gunst der Stunde -- Papa nerven
wirkt besser, wenn der schon vorgenervt ist -- und brechen einen Zeit vom Zaune, wer der Benachteiligste von allen ist. Franziska zum Beispiel ist dauernd benachteiligt, weil sie sich mit Katharina ein Zimmer teilen
muss. “Gar nicht wahr! Mit mir teilen darfst!”, fängt sie sich von Katharina ein. Felix ist benachteiligt, weil er als einziger zwei Schwestern hat, und überhaupt, Franziska war vor zehn Jahren schon mal in Amerika, und er muss in
diesem blöden Auto sitzen und kommt da jetzt nicht rein. |
“Ich war vor zehn Jahren auch nicht mit”, wirft Katharina ein, “das ist genauso gemein.” |
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“Ist es nicht, weil du da noch nicht geboren warst”, sagt Felix. |
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“Immer zählt es bei mir nie, immer war ich noch nicht geboren. Das ist ja wohl supergemein!”, schießt Katharina zurück. |
“Ich bin auch benachteiligt”, denkt Michael, “umgeben von Kindern, die sich mitten in Nordamerika streiten müssen, wer am benachteiligsten ist, aber es schafft es nicht, sich im Wortgefecht der Kinder Gehör zu verschaffen. Das gelingt erst dem Zöllner. Pässe vorzeigen, alle aussteigen, und dann will überprüft werden, ob diese fünf Heinzelmanns einreisen dürfen, oder nicht doch eine Gefahr für die USA darstellen. Formulare gilt es auszufüllen, Fingerabdrücke werden genommen und biometrische Fotos gemacht. Schließlich das erlösende Okay des Grenzbeamten: “Have a nice trip.” |
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Klar, dass so auch der zweite Tag in New York ganz im Zeichen der Kultur steht. Baukultur an 5th und 6th Avenue, dem neuen World
Trade Center, Trump Tower, Flatiron Building, Greenwich Village, dem Chelsea Market und der Highline, kurz unterbrochen von Esskultur in Chinatown sowie -- hust, hust -- bei Subway. Michael erinnert sich noch, wie er sich
schließlich müde in die Sessel des halbleeren Amtrak Zuges plumpsen lässt, um sich mit einem Zug-Nickerchen auf zwei abschließende Strandtage in Newport vorzubereiten. Nach diesen beiden Tagen dann die Rückfahrt nach
Montreal. Und wieder diese Grenze. Aber nach Kanada rein ist alles ganz anders, denn der kanadische Zöllner hat’s nicht so mit Fingerabdrücken oder biometrischen Erkennungsbildern. Ob es uns in Montreal gefällt und wir uns gut
eingelebt hätten, möchte er wissen, dann stempelt er alle Pässe ab und wünscht uns eine gute Zeit in Montreal: “Bienvenue au Canada.”
“War das aber eine lasche Passkontrolle”, sagt Franziska. “Bei der Einreise nach Amerika hatten wir mehr Stimmung im Auto.” |
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