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Im Parc National du Mont Mégantic

„Einmal noch so richtig in den Schnee, wär’ das was?“ Mechthild lenkt das abendliche Gespräch auf die wichtigen Themen im kanadischen Winter.

„Au ja“, stimmt Katharina zu, „und zwar in richtig guten Schnee, am besten schön pappigen für eine Schneeballschlacht. Der in Montreal ist immer viel zu pulverig.“

Und weil auch alle Anderen Mechthilds Vorschlag klasse finden – wofür ist man schließlich in Montreal – fährt diese gleich fort mit dem, was sie sonst noch rausgefunden hat. „Den meisten Schnee im Süden Quebecs“, sagt sie, „gibt’s in den Cantons de l’Est am Mont Mégantic. Fünf Meter fallen da pro Winter durchschnittlich im Tal, und auf dem Gipfel sind’s sogar sieben.“ Und dann berichtet sie weiter, dass der Mont Mégantic, wie praktisch, ja ein Nationalpark sei, in dem man sich fürs Wochenende eine Hütte mieten und Schneeschuhe ausleihen könne. Und dass oben auf dem Berg eine Sternwarte sei, die größte in ganz Kanada, und dass die Gegend um den Mont Mégantic eine „Dark sky reserve“ sei, in der es ganz wenig künstliches Licht gebe, weswegen der Sternhimmel dort ganz besonders beeindruckend sei.

„Super“, meint Michael, „du hast ja schon alles geplant.“

„Und ich habe dich dabei noch nicht mal übergangen“, sagt Mechthild.

„Das wird ja immer besser“, freut sich Michael.

„Ja, du darfst buchen. Wo du dich früher in der Schule mit deinem Kumpel Alex doch immer so erfolgreich durch den Französischunterricht geschummelt hast. Du, die haben eine kostenfreie Telefonnummer. Warte mal …. hier ist sie.”

„Ooooch …“ Michaels Begeisterung lässt ein bisschen nach. Eigentlich hätte er seiner Mechthild auch gerne die Buchung überlassen. Aber was soll’s, tags drauf ruft er im Nationalpark an.

„Ja, die Hütte Grande Ourse ist noch frei“, sagt die Rangerin am anderen Ende der Leitung. „Sie liegt eine Dreiviertelstunde zu Fuß vom Parkplatz entfernt und ist mit vier Doppel-Etagenbetten für bis zu acht Personen und einem Kaminofen zum Heizen ausgestattet. Holz ist im Schuppen nebenan und ein Plumpsklo zehn Meter durch den Schnee. Aber es gibt keinen Strom oder fließend Wasser.“

„Oh, da müssen wir aber viel Wasser mitschleppen“, meint Michael.

„Normale Leute“, klärt ihn die Rangerin auf, „schmelzen Schnee.“

Aha, denkt sich Michael. Endlich erklärt ihm mal jemand, was normale Leute in Quebec so alles machen. Und dann bucht er die Grande Ourse für zwei Nächte, den Gepäcktransport per Snowmobil zur Hütte und schließlich für jeden ein paar Schneeschuhe.

In den Tagen vor der Tour müssen noch ein paar Vorbereitungen getroffen werden. Gute Schlafsäcke haben zwar alle, aber Mechthild und Felix besorgen sich lieber noch eine Gesichtsmaske gegen die Kälte. Auf jeden Fall  muss man genug zu essen mitnehmen, vor allem zwei vorgekochte Mahlzeiten fürs Aufwärmen auf dem Kaminofen, sowie reichlich Instant-Kakao, weil man draußen in der Kälte gerne Warmes trinkt.

Dann ist es soweit, Ankunft im Parc National du Mont Mégantic. Katharina rennt vom Parkplatz als erstes mitten in den Schnee. Doch der verpasst ihr gleich mal einen Dämpfer. “Hier ist ja auch voll der Pulverschnee! Wie soll man denn da eine Schneeballschlacht machen?” Mechthild und Michael atmen leise auf. Schneeballschlachten mit den Kindern sind doch erheblich anstrengender geworden, als sie das früher einmal waren.

Es geht sich gut in Schneeschuhen. Auf frischem Schnee sinkt man zwar auch ein bisschen ein, aber eben nur ein bisschen, sodass man immer noch gut voran kommt. Und auf platt getretenen Wegen rutscht man dank der Krallen auf der Unterseite längst nicht so oft aus, wie man das ohne Schneeschuhe täte.

In der Hütte wartet eine erste freudige Überraschung. Das Feuer im Kaminofen brennt noch, und es ist schön warm. Doch für das Plumpsklo draußen gilt das leider nicht.

“Brrrrrr” schüttelt sich Katharina, als sie wieder in die Hütte kommt.

“Das was aber in Rekordzeit”, bemerkt Franziska. Und wie könnte es auch anders sein? Minus 30 Grad und der vom Frost kaum gemilderte Plumpskloduft laden nun wirklich nicht zu längeren Sitzungen ein.

Am nächsten Morgen dann Aufbruch zur Wanderung auf den Mont Victoria und den Mont Saint Joseph. In der Hütte schreibt Michael noch schnell einen Zettel: ‚Veuillez entretenir le feu’. Franziska, die gerne ein Auge darauf wirft, wenn Michael sich in Französisch probiert,  – sicherheitshalber –  ergänzt noch schnell ein „s’il vous plaît“. „Jetzt heißt es ‚Halten Sie das Feuer bitte am Brennen“, sagt sie: „So kann man es lassen.“ Was es mit dem Zettel auf sich hat? Nun, die goldene Hüttenregel im Nationalpark ist, dass alle Hütten von 9:00 bis 16:00 Uhr für jedermann offen stehen. Als Mieter schließt man in dieser Zeit seine Siebensachen im Schlafzimmer ein, geht wandern, wobei man natürlich gerne eine Pause in den anderen Hütten im Park einlegt, und hofft schließlich, zur abendlichen Rückkehr einen von den anderen Wanderern gut befeuerten Ofen in einer warmen Hütte vorzufinden.

Die Wanderung selbst ist kalt, bergauf anstrengend, bergab rasant, und sie führt durch eine Landschaft, die stets eine Augenweide ist. Als Höhepunkte hat dabei jeder ganz für sich etwas Anderes verbucht: Mechthild den Rundblick vom Mont Saint Joseph über die verschneiten Wälder, in denen man als einziges Gebäude die Sternwarte auf dem Mont Mégantic, ansonsten aber keine Siedlungen sehen kann, Michael den engen Trampelpfad auf dem Grat zwischen den Gipfeln von Mont Victoria und Mont Saint Joseph, und die Kinder den abschließenden Abstieg ins Tal hinab. Der ist nämlich so steil, dass man ihn zumindest im Winter lieber nicht zu Fuß geht, sondern auf dem Hosenboden rutscht.

Am letzten Tag ist noch Zeit für eine Wanderung auf den Mont Mégantic. Aber das Wetter ist umgeschlagen, mit dichtem Schneefall anstelle des Sonnenscheins von tags zuvor. So wird es zwar nichts mit dem Ausblick vom Gipfel, aber es zeigt sich, dass auch das Schneetreiben durchaus seinen Charme hat, vor allem, wenn man als erste durch den frisch gefallenen Schnee stapft. Er wirkt dann immer so schön unberührt, der winterliche Wald.

„Na, Katharina, wie fandest du’s hier?“, fragt Mechthild ihre Tochter auf dem Rückweg zum Parkplatz.

„Oh, prima“, antwortet die, „vor allem das Poporutschen. Nur beim Schnee, da hättest du besser pappigeren für ´ne Schneeballschlacht einplanen sollen.“

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