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Kreuz und quer durch Asturien

So ein längerer Auslandsaufenthalt hat ja immer auch ein bisschen was mit Erlebnissen und Abenteuer zu tun, und als erfahrene deutsche Zugfahrer wissen Mechthild und Michael ganz genau, wo man beides zuverlässig findet: in der Bahn. Da ist es immer spannend und unterhaltsam, denn wer weiß schon, ob der Zug fährt, und falls ja, wann, und zwischen welchen Leuten man dann sitzt beziehungsweise steht. Mechthild und Michael fahren jedenfalls gerne Bahn.

In Asturien nun hält die Renfe – die Spanische Staatsbahn – für die beiden ein absolut unwiderstehliches Angebot parat. Gerade mal 10 Euro kostet das Viermonatsticket für die Cercanías Asturianas, den Eisenbahn-Nahverkehr Asturiens. Dass Mechthild und Michael von diesem Angebot überhaupt erstmal erfahren haben, verdanken sie ihrem Sprachkurs „Español para Inmigrantes“, und sie finden, dass sich der Sprachkurs allein mit diesem Tipp schon fast bezahlt gemacht hat. Sofern man das bei einem kostenfreien Sprachkurs überhaupt sagen kann. Aber zurück zum Cercanías-Abo, denn da kommt es für Sparfüchse noch ein bisschen doller. Wenn man nämlich in diesen vier Monaten 16-mal mit den Cercanías fährt, erstattet die Renfe die 10 Euro am Ende wieder zurück. Kostenfreier Eisenbahn-Nahverkehr also, den spanischen Steuerzahlern sei Dank, die das alles zur Senkung des CO2-Fußabdrucks finanzieren. Klar, dass sich Mechthild und Michael das Ticket gleich besorgt haben. Mal sehen, was sich – ganz gleich ob mit Fahrrad, Auto, Bus und Bahn – in Asturien alles erleben lässt.

Zuerst mal ein paar Daten: Asturien liegt im Norden Spaniens, zwischen der Biskaya und dem Kantabrischen Gebirge, ist mit 10.000 Quadratkilometern in etwa so groß wie das Rheinland und hat mit 1 Million Leuten so viele Einwohner wie Köln. Wenig Menschen also, aber viel Natur.

Mit den Cercanías am einfachsten von Oviedo aus zu erreichen ist die Nachbarstadt Gijón. Einerseits ist das sehr praktisch: In Gijón lässt es sich gut einkaufen, man kann da sehr schön auf der Strandpromenade flanieren, und schließlich arbeitet Michael dort auch an der TU – und das sehr gerne. Anderseits pflegen Oviedo und Gijón keine Beziehung der unkomplizierten Art. Oviedo und Gijón sind ähnlich groß – die einzigen Großstädte Asturiens – spielen fußballerisch gesehen in derselben Liga – der segunda división – und haben sich im Laufe vieler Jahrzehnte eine Rivalität vom Feinsten erarbeitet. Ovetenses und Gijóneses, wie man auf Spanisch sagt, mögen sich wie Kölner und Düsseldorfer, Österreicher und Deutsche, Kanadier und Amis. Klar, dass man, wenn man in Oviedo wohnt und in Gijón arbeitet, schon mal vorsichtig gefragt wird, auf welcher Seite man denn stehe. Michael beantwortet das gerne mit seinem Real Oviedo Fanschal oder einem Verweis auf den Besuch beim Heimspiel gegen Teneriffa – 3:1 für „uns“ übrigens, ein schöner Abend – und hat dabei erfreut festgestellt, dass auch seine Freunde und Arbeitskollegen aus Gijón diese Festlegung für die Anderen durchaus respektieren. Bei so wichtigen Fragen muss man einfach Farbe zu bekennen, wenn’s dann Meinungsunterschiede gibt – halb so wild, die liebt der Spanier.

Aber natürlich bietet Asturien viel mehr als nur die beiden größten Städte. Gleich hinter Oviedo beginnt die wilde Bergwelt des Kantabrischen Gebirges. Schon in Las Segadas, der dritten Cercanías Station hinter Oviedo Hauptbahnhof, ist man mittendrin. Da gestaltet sich ein längerer Feierabendausflug in etwa so: Acht Minuten Bahnfahrt, anderthalb Stunden Wanderung auf den Pico Bustiellu, dort Gipfelpause mit allem, was so ein Hochgebirge zu bieten hat, und dazu zählen im Kantabrischen Gebirge außer tollen Ausblicken insbesondere auch die zahlreichen Gänsegeier, die sich in den Aufwinden des Gebirges nach oben schrauben, und eine Stunde Rückweg nach Las Segadas. Da kann man nicht meckern.

Aber die spannendsten Touren durch das „wilde“ Asturien sind natürlich die Wanderungen mit Mechthilds und Michaels Freunden von den Senderistas (Wanderern) der Grupo Montaña del Naranco, mit denen es jeden zweiten Sonntag raus geht in die Berge. Alle 14 Tage also eine anstrengende, aber richtig schöne, oft regelrecht spektakulär schöne Bergtour unter lauter netten Leuten, mit denen sich Mechthild und Michael gerne reich gestikulierend und langsam aber sicher immer besser auf Spanisch unterhalten. Man lernt ja jeden Tag dazu. Und jede Wanderung. Nasse Füße zum Beispiel heißt pies mojados, und Gipfelkuss heißt beso de la cumbre. Na, damit kommt man ja schon mal schon ganz schön weit.

Und wenn’s dann irgendwann doch nicht reicht mit dem Sprachverständnis, hilft der Spanier an und für sich den aufgeschmissenen deutschen Besuchern gerne nach Kräften weiter, mit allem was geht. Wie z.B. Firmin, der Wirt unseres Landgasthofs Marroncín in Cangas del Narcea, der uns erst geduldig die Speisekarte erklärte – was sich insbesondere bei Mechthild gerne hinzieht, die Speisekarten nämlich gerne in Gänze versteht, statt wie Michael zufrieden zu bestellen, sobald das erste Gericht erreicht ist, das ihm schmeckt – um sich dann erstmal nach den Radtourplänen für den kommenden Tag zu erkundigen. Schon ganz  gut, befand er, aber noch viel schöner sei der Puerto del Connio, der sei zwar ein bisschen abgelegen und auch schon mal recht steil, aber es gebe da kaum Verkehr, und die Ausblicke von der Passstraße ins Tal des Rio Muniellos seien die schönsten weit und breit. Sprach‘s, machte sich mit Mechthilds und Michaels Bestellung endlich auf in die Küche, und was soll man sagen? Firmin hat nicht zu viel versprochen. Steile Anstiege, erfrischende Schussfahrten, ein tiefes Tal und der leuchtende Herbstwald – manche Touren sind ganz einfach schöner als normal.

Überhaupt ist Asturien, so man denn sportlich steile Strecken mag, fürs Radfahren wie gemacht. Gut, dass Michael kurz vor knapp noch mit seinem neuen Fahrrad fertig wurde – hier (gleich mal anklicken) steht, wie‘s gemacht wurde – und sich Mechthild ihren neuen Carbonrenner besorgt hat. Auf Rädern, die man mag, strampelt es sich leichter die Berge hoch, und davon gibt’s um Oviedo herum ja viele.

Und dann gibt es außer den Bergen ja noch das Meer. Entlang der Küste wandern Mechthild und Michael immer sehr gerne mit ihren Freunden Olga und Sascha aus dem Spanischkurs – um frische Luft zu schnappen, den Wellen und Schiffen zuzugucken und um sich zu unterhalten. Wobei die Unterhaltungen besonders sind. Immer auf Spanisch sind sie und immer ziemlich ungelenk und lustig, hört man den vieren doch schon beim ersten Halbsatz an, dass ihre Muttersprache ganz bestimmt nicht Spanisch ist, sondern je nachdem Deutsch oder Ukrainisch. Entgegenkommende Wanderer geraten bei der Begegnung mit den vier spanisch radebrechenden Ausländern schon mal gerne in ein amüsiertes Schmunzeln. Aber das finden Mechthild und Michael ganz in Ordnung. Asturien beschert ihnen so viel Schönes – Gänsegeier, Gipfelküsse, nasse Füße –, da ist es ganz okay, auch mal ein bisschen was zum Amüsieren zurückgeben.

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