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Die Kanutour auf der Weser

Die Nachricht kam plötzlich und schlug, da keines der Kinder das Thema auch nur annähernd auf seinem Radarschirm hatte, ein wie eine Bombe.

„Weißt du was, Katharina?“, sagte Mechthild, „wir beide fliegen im Sommer für eine Woche nach Halifax. Und auf dem Rückflug nehmen wir Nancy in ihren Urlaub nach Deutschland mit.“

„Yeah, Halifax! Da esse ich Ahornsirup und spiele mit Erica und Madeline.“ Katharina ist in Hochstimmung. Felix und Franziska weniger.

„Und wir?“, fragt Felix.

„Ooch, wir drei amüsieren uns in Rheinbach“, meint Michael. „Da können wir die tollsten Sachen machen.“

Schweigen im Walde. Irgendwie haben die beiden großen schon mitreißendere Vorschläge erlebt. Zum Glück hat Franziska eine Idee:

„Also, ’ne richtig gute Tour, eine mit Wildnis und Lagerfeuer, mehr so’n Männerurlaub, würde ich mit Felix und Papa schon gerne machen.“

„Wie wär’s“, schlägt Michael vor, „wenn wir bei gutem Wetter mal auf der Lahn ein bisschen Kanu fahren?“

„Oh Papa, das ist doch keine echte Tour. Felix und ich, wir wollen was Ausgewachsenes. Die Donau wäre doch ein richtiger Fluss.“

In Franziskas Zimmer, muss man wissen, hängt nämlich eine Europakarte.

„Ich fürchte“, wendet Michael ein, „die ist für uns eine Nummer zu groß.“

„Dann überleg’ bitte selber.“

Und so grübelt Michael und wälzt Kanuführer und Karten, bis er schließlich einen Vorschlag hat: die Weser. Von Hannoversch Münden bis Minden fließt diese durchs schöne Weserbergland, immer munter strömend – da braucht man nicht so dolle zu paddeln – und ganz ohne Umtragestellen, 200 Kilometer weit. Die Kinder hören sich alles gut an, nur Felix hakt einmal nach: „Und wirklich jeden Tag zelten, keine Tricks.“ Dann willigen sie ein.

„Jetzt müssen wir nur noch klären“, plant Michael weiter, „was unsere Kanutour denn zur Männertour macht.“

„Na, wild campen, Lagerfeuer, selber kochen und so“, weiß Franziska Bescheid.

„Also ich würde ja lieber das Kochzeugs zu Hause lassen“, sagt Michael, „nur auf Campingplätzen zelten und uns da abends in den Biergarten setzen um Würstchen zu essen und Skat zu spielen.“

„Was zu spielen?“

„Skat. Das ist ein Kartenspiel, und zwar Opa Maxens und mein Lieblingsspiel. Es ist allerdings nicht ganz einfach. Wir müssten es vorher üben.“

„Und so sehen bei dir Männertouren aus: Paddeln, Biergarten und Skat spielen?“

„Ganz genau so.“

„Dann bring uns dieses Spiel mal bei.“

Und so verbringen Franziska, Felix und Michael eine spannende Tourvorbereitung. Sie lernen Skatregeln (Farbe bedienen, Trumpf und so), erkunden das kleine Einmaleins („Ohne zwei gespielt macht drei mal Karo ergibt …. Mann, ist das ein gemeines Spiel.“), lernen schlaue Sprüche („lange Farbe, kurzer Weg“) und  taktische Finessen (dass man nicht jedes Spiel mit dem Kreuz Bauern eröffnen muss), und und und … Viel Stoff für eine Urlaubsvorbereitung, aber wer weiß, vielleicht lernt man damit was fürs Leben.

Mit Hann. Münden beginnt die Tour gleich mit der schönsten vieler schöner Fachwerkstädte. Michael zieht mit den Kindern durch die Stadt, auf der steten Suche nach verwinkelten Gassen und malerischen Straßenzügen, aber auch Felix und Franziska kommen auf ihre Kosten, denn der Streifzug durch die Stadt führt geradewegs an Dönerbude und Eisdiele vorbei.

Am nächsten Tag geht’s endlich auf den Fluss. Zwischen den Berghängen des Reinhardswaldes zur Linken sowie des Bannwaldes und des Sollings zur Rechten fließt die Weser durch eine ausgesprochen reizvolle Landschaft. Und weil sie so schön schnell fließt, kommt das Kanu flott voran. Felix nutzt seine Freiräume zur Naturbeobachtung und entdeckt Reiher, Schwalben, Enten, Gänse und Greifvögel. Einmal sieht er in der Ferne auch einen Storch und am Ufer ein Reh mit Kitz, aber am spannendsten sind und bleiben die Greifvögel. Diesbezüglicher Höhepunkt ist das Kloster Bursfelde, über dem zwei Bussarde von fünf Rotmilanen vertrieben werden.

Nicht weit danach kommt der Zeltplatz Gieselwerder. Michael freut sich schon.

„So, Kinder, gleich kommt auf der linken Seite der Campingplatz. Da melden wir uns in der Rezeption an, bauen schnell das Zelt auf und dann ab in den Biergarten.“

Aber die Kinder sind anderer Meinung.

„Nee, Papa“, sagt Felix, „wir wollen hier noch nicht zelten. Kanu fahren ist Sport, und wir wollen noch paddeln. Wo wäre denn der nächste Zeltplatz?“

„In Bad Karlshafen. Aber bis dahin ist es noch weit. Bestimmt eine Stunde.“

„Wenn du nicht mehr kannst, dann ruhe dich ruhig aus. Franziska und ich können dich nach Bad Karlshafen chauffieren.“

„Nicht vielleicht doch hier schon zelten?“

„Nein, wollen wir nicht.“

Und so chauffieren Felix und Franziska ihren Vater, der nun seinerseits alle Zeit und Muße hat, entspannt Landschaft, Tierwelt und seinen vor ihm sitzenden hart paddelnden Kindern zuzugucken, nach Bad Karlshafen. Dort halten die drei auf dem Zeltplatt bei Limo und Bier vorerst noch mit offenen Karten doch noch die wohlverdiente Skatrunde. Am ersten Paddeltag kommt jeder auf seine Kosten.

Nach einem Stadtbummel durch das malerische Hugenottenstädtchen paddeln Franziska, Felix und Michael am nächsten Morgen los. Gegen Mittag nähern sie sich Höxter. Die Zeltnachbarn von Bad Karlshafen kamen aus Höxter und hatten die Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern der Weserrenaissance und die gleich hinter dem Rathaus liegende beste Eisdiele der Stadt empfohlen. Felix und Franziska, die da ganz genau zugehört haben, erklären ihrem erstaunten Vater, dass sie nach so viel Paddelei doch zu gerne in Höxter Pause machen und Fachwerkhäuser gucken möchten. Das Kanu wird unter der Weserbrücke an Land gezogen, die Kinder nehmen ihre Paddel mit – es soll keiner mit Boot und Ladung wegpaddeln können –, fragen sich zum Rathaus durch und – hoppla! – ist da nicht die Eisdiele, die uns am letzten Zeltplatz empfohlen wurde? Davon müssen die beiden sich natürlich selbst ein Bild machen, wer verlässt sich schon gerne kritiklos auf anderer Leute Empfehlungen. Schokolade, Vanille und Stracciatella lautet die Auswahl für den Gourmettest, und … Felix und Franziska empfehlen die Eisdiele gerne weiter.

Am Ziel des zweiten Tages in Holzminden spielen Franziska, Felix und Michael ihren abendlichen Skat in der Pizzeria am Marktplatz. Felix bewundert Michaels Calzone: „Wow, Papa, deine Pizza ist ja so dick belegt, dass man sie zuklappen muss, damit der Belag nicht runterfällt.“

Zudem lernt Felix Nico kennen, der mit seiner Mutter und dem Hund auch in Richtung Minden paddelt, sodass sich Felix und Nico auch auf den nächsten Zeltplätzen in Bodenwerder und Hameln wiedertreffen. Nico hat unterwegs am Flussufer ein ausgedientes Aalrohr gefunden und zeigt Felix in Hameln, wie man damit Aale fängt. Am Steg des Hamelner Kanuclubs beschwert Nico das Kunststoffrohr und versenkt es im Fluss, in der Hoffnung, ein Aal werde es nachts von ganz alleine als Unterschlupf aufsuchen. In der Tat, am nächsten Morgen zieht er in seinem Aalrohr einen munter zappelnden Aal aus der Weser. Da müssen Felix, Franziska und Michael aber leider schon weiter, wünschen ihm mit seinem Fang guten Appetit und machen sich auf in Richtung Rinteln.

Kurz nach Hameln beginnt es zu regnen. Michael kommt das ungelegen, denn bei Regen wird’s im Kanu nass, und erkälten kann man sich obendrein. Vor allem möchte sich Michael nicht vorwerfen, er hätte seine Kinder ungenügend vor Wind und Wetter geschützt.

„Lasst uns mal unter der Brücke da Schutz vorm Regen suchen“, lautet seine fürsorgliche Entscheidung.

„Felix und ich wollen aber eine Paddeltour machen und keine Pausentour“, erwidert Franziska.

„Wir paddeln ja weiter, wenn der Regen aufhört. Überleg doch mal.“

„Felix und ich, wir überlegen immer ganz viel. Und wenn wir heute noch nach Rinteln kommen wollen, machen wir jetzt besser keine Pause.“

„Dann zieht euch wenigstens Regenjacken an.“

„Die sind aber ganz unten eingepackt, weil wir sie nicht brauchen. Das ist nämlich ein Sommerregen. Der macht nicht krank, der erfrischt.“

„Franz hat recht“, befindet nun Felix, „und nach Rinteln müssen wir’s auf jeden Fall schaffen. Du weißt schon, um Fachwerkhäuser und Eisdielen zu erkunden.“

Zwei zu eins, ein klares Abstimmungsergebnis, also ab nach Rinteln durch den Sommerregen. Dort liegt die Eisdiele gleich am Marktplatz in einem – wer hätte das gedacht – schmucken Fachwerkhaus der Weserrenaissance.

Von Rinteln aus führt die letzte Etappe nach Minden. Bei Porta Westfalica geht’s durch den Weserdurchbruch zwischen Wiehen- und Wesergebirge, dem letzten landschaftlichen Höhepunkt der Tour. Auf der Zeltwiese des Mindener Kanuclubs endet die Paddeltour.

„Bei Bad Karlshafen“, fasst Felix die Tour zusammen, „gab’s mehr Rotmilane als Bussarde und hier bei Minden mehr Falken und Bussarde als Milane.“

„Ich finde alle Greifvögel gut“, meint Franziska, „ aber mit den Fachwerkhäusern hat’s Papa echt übertrieben.“

„Ja“, pflichtet Felix ihr bei, „und Eis essen waren wir viel zu selten. Aber ansonsten war’s OK.“

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